Staatsanwaltschaft Hannover – Zentralstelle zur Bekämpfung gewaltdarstellender, kinderpornografischer oder sonst jugendgefährdender Schriften
Unsere Kanzlei verteidigt Mandanten aus Niedersachen unter anderem wenn sie eine Hausdursuchung hatten oder eine Vorladung als Beschuldigter wegen § 184b StGB erhalten haben.
Es gibt in Niedersachen Besonderheiten bei „Kipo – Verfahren“, welche wir Ihnen hier näher erklären wollen.
Sie haben sich sicherlich gewundert, warum die Staatsanwaltschaft Hannover für Ihr Verfahren zuständig ist und klären Sie auf, warum dies so ist.
Grundliegend kann man festhalten, dass bei Verfahren im Bereich von Kinderpornographie in Niedersachen die Staatsanwaltschaft Hannover – zentral – als Ermittlungsbehörde zuständig ist. Sie aber, falls das Verfahren nicht eingestellt wird, am lokalen Amtsgericht angeklagt werden und in der Regel auch Vertreter der lokalen Staatsanwaltschaft an der Gerichtsverhandlung teilnehmen.
Ausgangspunkt: Die grundsätzliche Zuständigkeit einer Staatsanwaltschaft
Nach § 141 GVG ‚soll‘ bei jedem Gericht eine Staatsanwaltschaft bestehen. Diese Vorgabe wird in der Praxis dergestalt umgesetzt, dass bei jedem Landgericht eine Staatsanwaltschaft, bei jedem OLG eine Generalstaatsanwaltschaft und beim BGH der Generalbundesanwalt angesiedelt ist. Dass bei Amtsgerichten Staatsanwaltschaften grundsätzlich keinen Sitz haben, dürfte mit Zweckmäßigkeitserwägungen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu begründen sein.
Die Zuständigkeit einer Staatsanwaltschaft regelnde Rechtsnorm ist in § 143 GVG zu finden. Nach Abs. I S. 1 dieser Norm bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit einer Staatsanwaltschaft nach der örtlichen Zuständigkeit des Gericht, bei welchem die Staatsanwaltschaft angesiedelt ist.
Der hier wichtige Absatz des § 143 GVG ist Abs. V.
Danach kann nämlich die Landesregierung per Rechtsverordnung einer Staatsanwaltschaft eine weitergehende Zuständigkeit ganz oder teilweise zuweisen. Eine Staatsanwaltschaft kann dadurch in anderen Land- oder Oberlandesgerichtsbezirken zuständig werden. Als Voraussetzung nennt Abs. V, dass diese Zuständigkeitserweiterung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Vollstreckungsverfahren zweckmäßig sein müsse.
Als Zwischenfazit lässt sich demnach festhalten, dass die Landesregierungen (bei Vorliegen des entsprechenden ‚politischen Willens‘) Schwerpunktstaatsanwaltschaften bzw. Zentralstaatsanwaltschaften einrichten können. Diese Staatsanwaltschaften können dann für die Strafverfolgung in bestimmten strafrechtlichen Bereichen bzw. von bestimmten Deliktstypen im gesamten Bundesland und damit überregional zuständig sein.
Sinn und Zweck einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft
Weicht der Staat vom gewohnten Standard ab, drängt sich die Frage nach dem ‚Warum?‘ auf.
Der Sinn und Zweck darin, bei einer Staatsanwaltschaft eine Zentralstelle für bestimmte Straftaten einzurichten, dürfte im Streben nach Effizienz durch Schaffung von Spezialität liegen. Beschäftigen sich einzelne Abteilungen innerhalb einer Staatsanwaltschaft ausschließlich oder zumindest vorwiegend mit bestimmten Arten von Straftaten, ergibt es sich aus der Natur der Sache, dass hierdurch über die Jahre Spezialisierungen entstehen. Diese Bündelung von ‚Experten‘ soll dazu beitragen, ausgewählte Kriminalitätsbereiche wirksam zu bekämpfen.
Bei einem Vergleich zwischen den Bundesländern in Bezug auf das Vorhandensein von Schwerpunktstaatsanwaltschaften fällt auf, dass Zentralstellen insbesondere für solche Kriminalitätsbereiche eingerichtet werden, die sich in örtlicher Hinsicht oftmals nicht bloß auf eine Region beschränken. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang etwa Computerkriminalität, Organisierte Kriminalität, Wirtschaftskriminalität oder auch Korruptionsdelikte.
Gegen die Einrichtung einer Zentralstaatsanwaltschaft, die bei bestimmten Straftaten im gesamten Bundesland zuständig ist, ließe sich indes argumentieren, dass die Einrichtung von Fachabteilungen den einzelnen Staatsanwaltschaften nicht fremd ist. Jedoch dürfte die personelle Bündelung bei einer Zentralstelle, die für das gesamte Bundesland zuständig ist, regelmäßig umfangreicher sein (‚größeres Team – größere Expertise‘)
Daneben darf das Setzen des politischen Signals, welches die Bevölkerung durch die Einrichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft erreichen soll, nicht unterschätzt werden.
Was macht die Zentralstaatsanwaltschaft / Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Hannover?
Die Staatsanwaltschaft Hannover ist Schwerpunktstaatsanwaltschaft. Sie übernimmt, neben ihrer originären Zuständigkeit, Strafverfolgungsaufgaben in folgenden Bereichen überregional:
- Bekämpfung gewaltdarstellender, pornografischer oder sonst jugendgefährdender Schriften
- Korruptionsdelikte
- Wirtschaftssachen
- Betäubungsmittelsachen
Die Sonderzuständigkeit als ‚Zentralstelle zur Bekämpfung gewaltdarstellender, pornografischer oder jugendgefährdender Schriften‘ hat die Staatsanwaltschaft Hannover nicht erst seit kurzer Zeit inne. Eine diesbezügliche Allgemeinverfügung erließ das niedersächsische Justizministerium bereits im Jahre 1992.
Die Staatsanwaltschaft Hannover wird insbesondere wegen des Verdachts von Straftaten gemäß § 184b StGB (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte) sowie gemäß § 184c StGB (Verbreitung, Erwerb und Besitz jugendpornografischer Inhalte) als ‚leitende Ermittlungsbehörde‘ in ganz Niedersachsen tätig.
Zwei Beispiele für die Sonderzuständigkeit: Bundesweit erhielt die Staatsanwaltschaft Hannover im Kinderpornografie-Verfahren gegen den damaligen Bundestagsabgeordneten Edathy Aufmerksamkeit. Obwohl damals beim Landgericht Verden Anklage erhoben wurde, vertrat die Staatsanwaltschaft Hannover die Anklage. Im letzten Jahr geriet ein evangelischer Priester aus Osnabrück in den Verdacht, Kinderpornografie besessen zu haben. Auch hier übernahm die Staatsanwaltschaft Hannover die Ermittlungen und insbesondere das Auswerten von Datenträgern.
Da das gravierende Problem der Kinderpornografie in den letzten Jahren zugenommen hat, die Zahl der Strafverfahren drastisch gestiegen ist und das vorhandene Personal die Menge an Verfahren nur noch schwer stemmen kann, hat die Landesregierung in Niedersachsen erst vor wenigen Monaten eine personelle Erweiterung der Zentralstelle bei der Staatsanwaltschaft Hannover angekündigt.
Während zum letzten Jahreswechsel noch ca. 10 – 11 Vollzeitstellen in der Zentralstelle eingerichtet waren, sollen in den Jahren 2022 / 2023 bis zu 10 neue Stellen hinzukommen.
Der Ablauf des Ermittlungsverfahrens und der Anklageerhebung bei der StA Hannover
Sofern der Verdacht einer Straftat, für die die Sonderzuständigkeit begründet ist (also z.B. §§ 184 – 184d StGB), besteht, zieht die Staatsanwaltschaft Hannover grundsätzlich das Verfahren an sich und leitet die Ermittlungen.
In diesem Zusammenhang ist von einer ‚umfassenden‘ Zuständigkeit auszugehen. Die Staatsanwaltschaft Hannover wertet in diesem Zusammenhang also nicht etwa nur Datenträger aus und teilt anderen Staatsanwaltschaften Anregungen mit, sondern nimmt als zuständige Ermittlungsbehörde sämtliche Maßnahmen und Aufgaben wahr (Besonderheiten hinsichtlich der Anklagevertretung weiter unten).
Die Zuständigkeit ist ferner ‚fortlaufender‘ Natur. Um eine effiziente Strafverfolgung zu gewährleisten, soll die Staatsanwaltschaft Hannover, wenn sie beispielsweise wegen des Verdachts einer Straftat gemäß § 184b StGB ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, zuständig bleiben, wenn sich der Verdacht nicht bestätigen lässt (um etwa das Verfahren zu beenden oder Anklage aufgrund anderer Straftaten zu erheben).
Andere Staatsanwaltschaften in Niedersachsen sind bei Vorliegen der Sonderzuständigkeit der Staatsanwaltschaft Hannover grundsätzlich verpflichtet, das Verfahren umgehend an die Zentralstelle weiterzuleiten. Eine Ausnahme besteht verständlicherweise bei unaufschiebbaren Ermittlungsmaßnahmen (etwa Beschlag-nahme).
Besonderheiten gelten hinsichtlich der Anklagevertretung. In diesem Zusammenhang ist nicht fest vorgeschrieben worden, ob die Zentralstaatsanwaltschaft Hannover (bei einschlägigen Verfahren) oder die normalerweise zuständige Staatsanwaltschaft die Anklage zu vertreten hat. Als ‚Faustformel’ lässt sich festhalten, dass dem Grund nach und insbesondere in ‚überschaubaren‘ Verfahren die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft die Anklagevertretung übernimmt. Handelt es sich beim jeweiligen Strafverfahren aber um ein umfangreiches und ggf. überregionales Verfahren soll die Zentralstaatsanwaltschaft Hannover mit der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft eine ‚Einigung erzielen‘.
Im Konfliktfall kann sogar die Generalstaatsanwaltschaft in Celle darüber entscheiden.